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Die besondere Seite aus dem Ruhrgebiet

copyright Rolf Opalka

13. Dezember 2010 Diese Seite drucken
Pflanzenbehälter
oder was den Unterschied macht.

Er war ja früh dran dieses Jahr, der Winter.
Obwohl er ja noch ein paar Wochen zeit gehabt hätte.
Gut, verschiedentlich hatte er auch in vergangenen Jahren immer mal wieder den einen oder anderen kalten Hauch hinterlassen im November. Aber so heftig wie diesmal, da kann sich keiner dran erinnern.
Anfang Dezember bis minus 9 Grad, minus neun Grad Celsius wohlgemerkt.
Das war heftig.
Und wer da bis Mitte letzten Monat seine Pflanzen wintergerecht verstaut, verpackt oder sonst wie zurecht gemacht hatte, damit sie den erwarteten Kälteeinbruch im Januar oder Februar des nächsten Jahres, also dann wann eigentlich Winter ist, nach herrschender Meinung zumindest, ein solcher vorsorgender, vorausdenkender Mensch war gut dran. Oder besser seine Pflanzen konnten es sich gut gehen lassen.
Auch ich hatte heuer – eigentlich ein gutes Wort: heuer, das trifft es genau und ist wesentlich kürzer als: in diesem Jahr, ich nehme mir vor es des öfteren zu gebrauchen, heuer, lustig, nicht nur heuer! – Also wo war ich stehen geblieben? Heuer hatte auch ich frühzeitig meine Pflanzen versorgt. Einige Hortensien unterschiedlicher Ausprägung, einen Olivenbaum, es soll einer sein, wenngleich ich an seinem zarten Geäst noch nie eine derartige Frucht erblickt habe, beim Praktiker hatten sie heuer einen vor der Türe stehen, ein Mordstrum mit nem Schild dran 145 Jahre und 1500,- Euro, anders rum wär’s besser gewesen. So hab ich halt für den meinigen noch Hoffnung. Gut ein paar Hortensien, den besagten Olivenbaum, einen Jasmin und einen Oleander, das ist Tradition bei mir, das hatte man in den Siebzigern so, einen Jasmin und einen Oleander, inzwischen in 11 Generation. Dann noch einen der aussieht wie eine Buche und einen mit speckigen Blättern und weißen Blütenarrangements, die er auch im Winter hat. Man kann also von einem kleinen Ensemble sprechen, dass es auch heuer des Winters zu schützen gilt.
Ich bewegte all diese Pflanzen hin und her über die Terrasse, die einen von links nach recht, andere von rechts nach links und wieder eine von vorn nach hinten, so dass ich am Ende meiner Tätigkeit den Samstag hinter mir und Pflanzen in einer Ecke der Terrasse gelassen hatte, eingepackt in Gestöff und mit halbseidener Knallfolie umwickelt auf dass der Frost ihnen nicht ans Blattwerk und die Würzelchen fasse. Den Samstag hingegen ließ ich dann ausklingen wie zumeist.
Allerdings, dieser Gedanke schlich sich schon in meine Gehirnwindungen als ich den Oleander mit dem Jasmin nach gut acht Monaten getrennten Daseins wieder vereinte, habe ich eigentlich Kübelpflanzen oder wurzeln die meinigen in Töpfen?
Woran erkenne ich das?
Selbst heißes Wasser unter der Dusche erweiterte meine grauen Zellen nicht derart, dass ich diese Frage spontan und eindeutig und für mich zufriedenstellend zu beantworten in der Lage gewesen wäre.
Kübel oder Topf, das ist hier die Frage!
Erst dachte ich, die Größe des Gefäßes machten den Namen aus und um diesen Gedanken zu verifizieren machte ich mich auf, der Terrasse einen ungeplanten Besuch abzustatten, einen winterlichen und ausgerüstet wie zu einer Polarexpedition vermaß ich die auf meinem Anwesen anwesenden Gefäße sowohl in der Höhe, in der Breite und in der Länge, bei den runden waren es der Durchmesser und der Umfang, so dass eine recht erkleckliche Reihe statistischer Werte zusammen kam. Das machte mir die selbstgestellte Aufgabe nun nicht gerade leichter. Hatte ich zunächst noch die leise Hoffnung gehegt, die Sammlung der Zahlenkolonnen hülfen mir, den Unterschied zwischen Kübel und Topf zu erkennen, so stellt ich doch rasch fest, mitnichten war dem so!
Zwei Behältnisse stellten sich als kleiner heraus, als andere, die seit Jahren in meiner Wohnung ein auskömmliches Dasein als Herberge für Ficus und Azalee fristeten. Ein weiteres Behältnis war dem Umfange nach umfangreicher aber in der Höhe stand es einem gleichfarbigen Inhouse Behältnis deutlich nach.
Bei zweien hatte ich noch eine besonders perfide Problematik zu lösen, die darin bestand, dass sich die Behältnisse in überbehältnissen befinden.
Jetzt hatte ich ja schon von Kübeln und Töpfen gehört, aber KÜBEL in Verbindung mit ÜBER wäre mir neu, wobei ich mich nie gegen Neues sträube, grundsätzlich, jedoch Überkübel ginge mir eindeutig zu weit. Die Größe kann es also nicht sein, die den Unterschied ausmacht.
Ich machte mich nunmehr daran, die Beschaffenheit der Pflanzgefäße einer näheren Begutachtung zu unterziehen. Aber auch hier stieße meine Forschungen ins Leere. So habe ich sowohl drinnen als auch draußen solche aus Ton, aus Kunststoff um das profane Wort Plastik hier einmal zu vermeiden und aus Steinzeug oder wie das Zeug heißt. Die numerische Verteilung ist da durchaus einheitlich und es lässt sich beim besten Willen kein Mittelwert finden. Auch bei den Standardabweichungen blieb alles im Rahmen. Selbst die Darstellung der Zahlen unter Zuhilfenahme des Chi-Quadrates und Pre-Koeffizienten brachten mich nicht weiter.
Nunendlich kam ich auf die Idee, dass die Zahl meiner Behältnisse statisch nicht hinreichend sein könnten. Daraus folgerte schlussendlich eine engere Kontaktaufnahme zu meinen Nachbarn, de ich im Laufe der folgenden Tage mit Wein und Schnaps im Gefolge aufsuchte um mit ihnen über Fußball, Urlaub und Krankheiten zu plaudern, Themen also der unverfänglichen Art, wenn man sich wann immer Borussia oder Schalke angesprochen werden als St. Pauli Fan outet. Nebenher versuchte ich Näheres über die Terassen- und Wohnungsbepflanzung meiner Nächste herauszufinden.
Die Pflanzen im Inneren derer Behausungen waren schnell katalogisiert, was Form, Aussehen und Beschaffenheit der Behältnisse anbelangte. Eindeutig schwieriger war das Unterfangen hinsichtlich der aushäusig befindlichen Gefäße. In einem Falle hatte mein Nachbar seine mobile Gartenflora sogar in das Heimtreibhaus seines Schwiegervaters ausgelagert, was mich dazu veranlasste, auch diesem einen Besuch abzustatten, vorwändlich um das Treibhaus zu besichtigen, weil ich mir ein ebensolches zwar nicht mehr heuer, aber doch sicher im nächsten Frühjahr zuzulegen zu beabsichtige.
Drei ausgewachsene männliche Hauskrallentiere später hatte ich des Zahlenmaterials so hinreichend, dass eine 321zeilige und zwölfspaltige Multiplantabelle nach der elektronischen Erfassung zustande kam. Die Beschränkung auf nur 321 Zeilen hatte ich mir auferlegt, weil mir eine parallele Erfassung der doch zahlreich vorhandenen überbehältnisse nicht zielführend erschien.
Doch wie weiter?
Ich betrachtete die Varianzen und kritischen Binomen, bildete die Summe der quadrierten Abweichungen und zu guter Letzt die Schiefe der Verteilung. Doch weder die Steigung der Regressionsgeraden noch die Ermittlung der Verteilfunktion der wie auch immer verteilten Zufallsveriablen brachten mich weiter. Offenbar lag hier kein Standardfehler vor. Auch RKP und RGP lieferten unbrauchbare Werte. Ich kam zu keinem harmonischen Mittel, selbst das gestutzte Mittel war nicht berechenbar. Am Ende versuchte ich es noch mit der Fisher-Transformation die jedoch nach der weibullverteilten Zufallsvariablen nur die Wahrscheinlichkeit der Beschaffenheit, Größe und Form von Behältnissen in den anderen Straßen meines Viertels als Ergebnis offenbarte.
So beschloss ich, die Angelegenheit von einer völlig anderen Seite anzugehen und machte mich zu dem Gärtner meines Vertrauens auf. Listig befragte ich ihn nach dieser Pflanze im Topf und jener dort im Kübel. Worauf er mich belehrte, dass die von mir so bezeichnete Topfpflanze eine Kübelpflanze sei, die nur vorübergehend während der Wintermonate in der Halle stünde und die Kübelpflanze sei eine in einem Topf, auch wenn das Behältnis aus einem hölzernen Fass bestand, womit ich zu der neuen Erkenntnis gelangte, dass Pflanzen in Fässern Topf oder Kübelpflanzen sein können, meist aber Wasserpflanzen sind, die dann aber nur Wasserpflanzen genannt werden, nie jedoch Topf- oder Kübelpflanzen.
Kübelpflanzen sind für draußen, Topfplanzen für drinnen gedacht, das müsste mir doch auch als Laie einleuchten, waren die Worte des ehemaligen Gärtners meines Vertrauens.
Auf dem Heimweg war ich seine Worte noch einmal, hatten diese schließlich einen nicht zu vernachlässigenden Schluss.
Draußen regnet es kübelweise, drinnen geht man auf den Topf und auch Kübelwagen fahrend in der Regel draußen. Beim weiterführenden Gedankengang an die Topfhelme von Rittern, die eher draußen denn drinnen die Häupter zierten, bekam ich dann wieder Zweifel ob der Schlüssigkeit seiner Argumente. Und wie verhält es sich mit Oleander, der ausschließlich in einem Wintergarten seine Wurzeln hat oder mit einem Bambus? Wie gehe ich mit einer Zimmerhortensie um, die ich zwar nicht ins Freiland pflanze jedoch samt ihres Behältnisses auf die Terrasse oder sonstwo aushäusig zumindest zeitweilig ansiedle? Wie wiederum spreche ich über eine Nordmanntanne, die zunächst im Freiland zu ihrer jetzigen Größe fand, dann aber in einen Topf, genau es ist ein Topf, gepflanzt und von mir beim Weihnachtsbaumstraßenhändler günstig erstanden zunächst in der Garage und dann hernach im Wohnzimmer einen Ehrenplatz findet und letztendlich wiederum als Pflanze im Behältnis und später im so genannten Freiland, wenn auch eingezäunt, bis zur nächsten Sommerdürre ein Auskommen hat?
Zuhause angekommen habe ich dann dafür Sorge getragen, die nächsten Monate bis zum Einsetzen der Frühjahrsperiode und zum Aussetzen der vorrangig aushäusigen Heimbepflanzung ohne Zeit für Einkäufe oder andere Tätigkeiten die mich zur Abwesenheit von meiner Wohnung zwängen verbringen zu können.
Irgendwann so sage ich mir, irgendwann kommt der Moment der Transformation, die Stunde oder die Sekunde wo sich ein Kübel zum Topf und ein solcher in einen Kübel verwandelt.
Ich habe Hoffnung! Lebe ich doch in einer christlich jüdischen Wertegemeinschaft in der Wasser zu Wein und dann zu Blut werden kann.
Nacht um Nächte werde ich mir um die Ohren schlagen, wobei ich mir nebenher Gedanken darüber machen kann, warum man sich immer nur Nächte um die Ohren schlägt nie aber Tage, aber das erzähl ich ihnen dann andermal.

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